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 Eine metaphorische Geschichte um Macht

 

 

Es war einmal ein reicher Handwerker, der war talentiert, ausgestattet mit großem Know-how,

Erfahrung, Fleiß und jeder Menge toller Ideen. Alles, was er anfasste, war von guter Qualität und Nachhaltigkeit. Doch allmählich bemerkte er, dass seine Kunden lieber ihre Aufträge beim armen, aber ausgesprochen fleißigen Nachbarn unterbrachten, da er billiger und schneller arbeitete. Der reiche Handwerker dachte sich, wenn er diesen Nachbarn mit ins Boot holen würde, könnte er am Ende davon profitieren und mit weniger Arbeit und Investition mehr Gewinn machen. Der Nachbar war einverstanden, denn der reiche Handwerker förderte den armen Nachbarn mit reichlich Entwicklungshilfe, damit er seine Arbeit bestmöglich ausbauen könne. Die Rechnung ging auf, denn besagter Nachbar arbeitete immer beflissener und der reiche Handwerker konnte seine Kräfte sparen, mit weniger Aufwand mehr Leistung anbieten. Allerdings ließ die Qualität des Nachbarn zu wünschen übrig und konnte mit dem Know-How des reichen Handwerkers nicht mithalten. 

 

Der wiederum sonnte sich aber in der Bequemlichkeit, welche ihm durch die Kooperation mit dem fleißigen Nachbarn entstanden war und dachte gar nicht daran, seine Kunden gezielt zu akquirieren, wieder für sich zu gewinnen, viel zu viel hatte er an Geld, Wissen, Engagement und Einfuss in den Nachbarn investiert. Der Nachbar indes spürte, dass er an seiner Strategie etwas ändern müsste, um noch besser zu werden, unabhängiger.  Also bat er seinen Gönner, ob dieser ihm nicht liebenswürdigerweise ein paar Mitarbeiter ausbilden könne, die das großartige Know-How des Handwerkers erwerben könnten, um noch effizienter zu arbeiten. Schließlich hätte der Handwerker dann am Ende ja noch weniger Arbeit und mehr Freizeit. Das klang positiv in den Ohren des dankbaren Investors und er ließ die Mitarbeiter des Nachbarn getrost in seiner Firma studieren. Und damit er noch weniger Arbeit hatte und die Kasse lauter klingeln hörte, schaffte er gleich noch seine Maschinen und Errungenschaften direkt zum Nachbarn, sodass er damit noch effizienter arbeiten möge. Der reiche Handwerker nun musste feststellen, dass ihm noch mehr Kundschaft fernblieb, da er ja nun leider keine Mittel mehr hatte, um selbst noch seinen Tätigkeiten nachzugehen.  Er wurde immer ärmer! 

In der Annahme, nur der bestmögliche Erfolg des Nachbarn könne seine Situation noch retten, schickte er weiter Entwicklungshilfe, band den Nachbarn immer mehr in seine Geschäfte ein, ließ ihn sogar in der neuesten Vernetzungstechnologie Regie führen, weil dies für ihn als Firma absolut unabdingbar wäre, um konkurrenzfähig zu sein.

Eines Tages nutzte der inzwischen reich gewordene Nachbar die Gutgläubigkeit und Hilfsbereitschaft des verarmenden Handwerkers aus und kaufte sich allmählich in dessen Firma ein - mit dem Geld, welches er der lieb gemeinten, doch irrwitzigen Entwicklungshilfe des Handwerkers zu verdanken hatte, der stetig ansteigenden Kundschaft. Der naive Handwerker dachte blindäugig, es würde ihm langfristig wieder auf die Beine helfen. 

Irgendwann jedoch brach der hoch aufgestiegene Nachbar mit allen Verträgen, ließ die Firma seines ehemaligen Ernährers pleite gehen, setzte sich auf seinem eigenen Grundstück ab mit all den genialen Fachkräften, welche er durch die Großzügigkeit des Handwerkers ausgebildet bekommen hatte, baute mit ihrer Hilfe das Know-How, die Maschinen und Errungenschaften, welche er einst von seinem freimütigen Handwerks-Nachbarn erhalten hatte und konnte sich immer erfolgreicher gegen Konkurrenz durchsetzen. Natürlich kaufte der daraus erstarkte Nachbar  dem verarmten Handwerker keinerlei Handwerkszeug und Innovationen ab, da er ja nun selbst alles herstellen konnte und eigene Leute ausbilden. Der gehörig expandierte Nachbar wuchs an Ansehen, Einfluss und Egoismus, womit er nun auch noch jene Not-leidenden Nachbarn, die von allen anderen stets vergessen und nur sporadisch mit Nahrungsmitteln und Geldern versorgt wurden, unter seine Fittiche nahm und sie derart förderte, dass es diesen Nachbarn bedeutend besser ging als vorher. Bereitwillig gaben sie im Gegenzug alles, was sie an Grund und Boden besaßen, machten sich in unabwendbaren Knebelverträgen von diesem als absoluter Herrscher aller Anrainer erstarkten Nachbarn abhängig. Doch da es den Bewohnern unter seiner Macht so gut ging, sorgten sie sich nicht um ihre Position, sondern arbeiteten für ihn, huldigten ihn und traten sukzessive ihre Rechte ab, während er für sie neue Häuser, Brunnen und Straßen baute.

 

Somit waren am Ende alle abhängig von diesem Nachbarn, der einst so arm war und nun durch gnadenlose Kontrolle und Lenkung seiner eigenen Leute, Cleverness, Indoktrinierung und Skrupellosigkeit mächtigste, einflussreichste und modernste Unternehmer der ganzen Gegend geworden war. 

Sogar, als in seinen Reihen eine seltsame, hochgefährliche Krankheit ausbrach und sich rasant über die ganze Nachbarschaft ausbreitete, konnten die anderen sich dagegen nicht einmal wehren, weil sie ja ihre Mittel, ihre Produktionsstätten, ihr Selbstvertrauen längst abgegeben hatten - an jenen Nachbarn, der einst selbst abhängig von allen anderen war und nun als erfolgreicher Machthaber perfekte Möglichkeiten besaß, mit den erworbenen Fähigkeiten nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen bei der Bekämpfung der mysteriösen Krankheit zu helfen. Dadurch gelangte er zu noch mehr Reichtum und Wachstum, weil alle in ihn und seine Hilfe investierten.

Auch eine Art von Entwicklungshilfe …

 

Und hier schließt sich der Kreis. Ende.

 

 

Evelyn Ehnert